Gewaltfreie Kommunikation
(GFK) ist ein Ansatz, der durch Empathie und klare Sprache zwischenmenschliche Beziehungen stärkt und Konflikte löst. Sie basiert auf vier klar definierten Schritten, die eine respektvolle und strukturierte Kommunikation ermöglichen.
Grundlagen der GFK
Der erste Schritt der GFK besteht darin, eine konkrete und objektive Beobachtung zu machen, ohne sie zu bewerten oder zu interpretieren. Es geht darum, die Situation so neutral wie möglich zu beschreiben, wie ein Kameraobjektiv sie aufnehmen würde. Diese Klarheit schafft eine gemeinsame Basis für das Gespräch, ohne den anderen anzugreifen.
Im zweiten Schritt wird ausgedrückt, welche Gefühle die beobachtete Situation auslöst. Durch das Benennen der eigenen Emotionen entsteht ein ehrlicher Austausch, der hilft, die eigene innere Welt mitzuteilen und die Verbindung zum Gegenüber zu stärken.
Der dritte Schritt fokussiert auf die Bedürfnisse, die den Gefühlen zugrunde liegen. Bedürfnisse sind universelle, menschliche Werte, die unabhängig von spezifischen Personen oder Umständen bestehen und die als Basis für Verständnis und gegenseitige Verbindung dienen.
Im vierten Schritt wird eine klare, positive und umsetzbare Bitte geäußert, die auf die Erfüllung der Bedürfnisse abzielt. Dieser Schritt schafft eine offene und lösungsorientierte Kommunikation, die zur Zusammenarbeit einlädt.
Die Relevanz guter Kommunikation
der Ehen in Deutschland endeten 2023 in einer Scheidung. Dies zeigt, dass mehr als jede dritte Ehe langfristig nicht bestand hat. Gründe dafür sind oft veränderte Lebensumstände, unterschiedliche Erwartungen oder fehlende Kommunikation.
der emotional hoch gebundenen deutschen Arbeitnehmenden beabsichtigen, in drei Jahren noch für ihren aktuellen Arbeitgeber tätig zu sein, verglichen mit 20 % der Arbeitnehmenden ohne emotionale Bindung.
der Erwerbstätigen in Deutschland nannten mangelhafte interne Kommunikation als das größte Problem an ihrem Arbeitsplatz – häufiger als jede andere genannte Ursache. Dies unterstreicht, wie stark Kommunikationsdefizite den Arbeitsalltag beeinflussen.
Die Wirkung von GFK
Die Fähigkeit, Menschen, die unter Stress stehen, Empathie anzubieten, kann potenzielle Gewalt abmildern. Eine Lehrerin in der Innenstadt von St. Louis erzählte von einem Vorfall: Sie war pflichtbewusst nach dem Unterricht noch in der Schule geblieben, um einem Schüler zu helfen, obwohl die Lehrer gewarnt worden waren: Sie sollten das Gebäude zu ihrer eigenen Sicherheit nach dem Unterricht verlassen. Ein fremder Mann betrat den Klassenraum, und der folgende Wortwechsel entspann sich:
Junger Mann: »Ziehen Sie sich aus.«
Lehrerin (Bemerkte, dass er zitterte.): »Ich habe den Eindruck, dass Ihnen das ganz schön Angst macht.«
Junger Mann: »Haben Sie gehört? Verdammt noch mal, ziehen Sie sich aus!«
Lehrerin: »Ich habe den Eindruck, Sie sind gerade stocksauer und wollen, dass ich tue, was Sie sagen.«
Junger Mann: »Sie haben verdammt recht, und es wird Ihnen was passieren, wennSie es nicht tun.«
Lehrerin: »Ich möchte gerne von Ihnen hören, ob es eine Möglichkeit gibt, Ihren Bedürfnissen entgegenzukommen, ohne dass mir etwas passiert.«
Junger Mann: »Ich habe gesagt, ausziehen.«
Lehrerin: »Ich höre, wie sehr Sie das wollen. Gleichzeitig möchte ich, dass Sie wissen, wie groß meine Angst ist und wie schrecklich ich mich fühle und wie dankbar ich wäre, wenn Sie gehen, ohne mir etwas zu tun.«
Junger Mann: »Geben Sie mir Ihren Geldbeutel.«
Die Lehrerin händigte dem Fremden ihren Geldbeutel aus und war erleichtert, dass er sie nicht vergewaltigt hatte. Sie beschrieb später, wie sie jedes Mal, wenn sie ihm Empathie gab, wahrnehmen konnte, dass die Hartnäckigkeit seiner Absicht nachließ, sie zu vergewaltigen.
Ein Ehepaar stritt seit 39 Jahren über Geld. Kurz nach ihrer Hochzeit hatte die Frau das gemeinsame Konto zweimal überzogen, woraufhin ihr Mann die Kontrolle über die Finanzen übernahm und ihr das Scheckbuch entzog. Seitdem führten sie immer wieder dieselbe Auseinandersetzung. In einem GFK-Workshop äußerte die Frau Zweifel daran, dass dieser tief verwurzelte Konflikt so schnell gelöst werden könne.
Als sie nach den Bedürfnissen ihres Mannes gefragt wurde, antwortete sie überzeugt: »Ganz klar, er will nicht, dass ich Geld ausgebe.« Ihr Mann reagierte daraufhin verärgert: »Das ist ja lächerlich!« Damit erkannte sie nicht sein eigentliches Bedürfnis, sondern lediglich seine Strategie.
Als er selbst gefragt wurde, welches Bedürfnis er sich durch die Kontrolle der Finanzen erfüllte, antwortete er: »Sie ist eine wundervolle Ehefrau, eine wundervolle Mutter. Aber wenn es um Geld geht, handelt sie total unverantwortlich.« Diese Aussage enthielt jedoch ebenfalls keine direkte Bedürfnisformulierung, sondern eine Diagnose.
Durch gezieltes Nachfragen half der Workshop-Leiter dem Mann, sein Bedürfnis zu benennen: »Sind Sie beunruhigt, weil Sie Ihre Familie gerne wirtschaftlich schützen möchten?« Daraufhin stimmte er zu: »Ja, genau.«
Doch die Frau konnte dies zunächst nicht annehmen, da ihr Schmerz über die jahrelange Einschränkung überwog. Sie entgegnete: »Na ja, nur weil ich unser Konto ein paarmal überzogen habe, heißt das doch nicht, dass ich das auch in Zukunft tun werde.« Ihre Antwort zeigte, dass sie die Aussage ihres Mannes noch immer als Kritik auffasste, anstatt sein Bedürfnis zu hören.
Erst nach mehrmaligem Wiederholen durch den Workshop-Leiter gelang es ihr schließlich, die Bedürfnisse ihres Mannes zu erkennen: »Er möchte Sicherheit für unsere Familie.« In weniger als 20 Minuten fanden beide eine Lösung – zum ersten Mal in 39 Jahren. Diese Erfahrung zeigte, dass viele Konflikte nicht an der eigentlichen Situation scheitern, sondern daran, dass die beteiligten Personen die Bedürfnisse des anderen nicht richtig erfassen.
Marshall Rosenberg vermittelte in einem schweren Konflikt zwischen zwei Stämmen in Nord-Nigeria, die seit einem Jahr Krieg führten, wobei bereits ein Viertel der Bevölkerung ums Leben gekommen war. Sechs Monate lang dauerten allein die Vorgespräche, in denen weitere 50 Menschen starben.
Zu Beginn der Gespräche stellte Rosenberg eine zentrale Frage: »Könnten Sie mir sagen, welche Ihrer Bedürfnisse in diesem Konflikt nicht befriedigt worden sind?« Doch anstelle einer direkten Antwort eskalierte die Situation: »Ihr Leute, ihr seid Mörder!«, schrie der Häuptling des einen Stammes, worauf die Vertreter des anderen Stammes erwiderten: »Ihr habt seit 80 Jahren versucht, über uns zu herrschen, das werden wir nicht mehr tolerieren.«
Rosenberg übernahm daraufhin die Rolle eines »Übersetzers« und wandelte die Vorwürfe in Bedürfnisse um: »Häuptling, möchten Sie eigentlich sagen, dass Ihre Bedürfnisse nach Sicherheit nicht befriedigt werden? Würden Sie hoffen, dass alle Konflikte ohne Gewalt gelöst werden?« Diese Methode führte dazu, dass die Kontrahenten zum ersten Mal auf einer tieferen Ebene verstanden wurden.
Ein entscheidender Schritt war das aktive Zuhören: »Könnten Sie mir sagen, was Sie gehört haben, was der andere gerade gesagt hat über seine Bedürfnisse?« Erst als die Parteien gegenseitig ihre Bedürfnisse wiederholen und nachvollziehen konnten, war ein Wandel möglich.
Am Ende brachte ein Häuptling die Wirkung der Methode auf den Punkt: »… wenn wir wüssten, auf diese Art und Weise zu kommunizieren, müssten wir einander nicht töten.« Rosenberg nutzte hier sowohl Übersetzungstechniken als auch Rollenspiele, um die Gewaltfreie Kommunikation anzuwenden. Dieser Prozess ähnelt einer Mediation mit Stellvertretung, unterscheidet sich jedoch in methodischer Hinsicht.
GEKO
Die progressive Web-App »GEKO« bringt die Prinzipien der gewaltfreien Kommunikation in den Alltag und fördert wertschätzenden Austausch. Sie ermöglicht es Nutzer*innen, die Prinzipien der GFK zu erlernen und gezielt in ihrer Kommunikation anzuwenden. Die App bietet die Möglichkeit, Lerninhalte entweder zu lesen oder anzuhören und diese durch Übungen zu vertiefen. Eine besondere Funktion ist der KI-Bot, der als persönlicher GFK-Coach dient. Dieser unterstützt bei individuellen Fragestellungen und bietet spezifische Übungen an. Zusätzlich ermöglicht eine Community-Funktion den Austausch mit anderen Nutzer*innen, um Erfahrungen zu teilen und voneinander zu lernen. Ein übersichtliches Dashboard zeigt den aktuellen App-Öffnungs-Streak, einen Tipp des Tages, zuletzt pausierte Hörbücher sowie neue Communities, die es zu entdecken gilt.